HEIMSPIEL
Medienkunst klingt, macht Geräusche, erzeugt Bilder, Wind, Farben,
Texte, Stimmungen ... Im Grunde ist sie ohne "Disziplin"; alles
fließt ineinander. Nach juTOPIA (2004) mit ausschließlich
installativen Beiträgen stellt Liquid Music in seiner achten Folge
Musik als einen Aspekt von Medienkunst und deren konzertante Praxis ins
Zentrum Medienmusik.
"Heimspiel" lautet der Titel zum Einen, weil Judenburg, wie
in den vergangenen Jahren, als Ressource der Erfahrung ins Spiel gebracht
werden soll. Zum Anderen, weil Judenburg auch personell vertreten ist
- durch Daniel Lercher, durch das Duo Günther Grayer & Dieter
Preisl und durch die TeilnehmerInnen an einem (natürlich wieder kostenlosen)
Sound-Workshop.
Was ist zu erwarten? (I)
Musik, die sich anders organisiert als Musik, die wir als solche fraglos
zu erkennen vermeinen. Aus der Erfahrung gesprochen: Rhythmische Pattern,
schräge, irrlichternde Sounds, rauschende Klangflächen, leise,
punktuelle Töne, raumgreifende akustische Gesten, überraschende
Harmonien, irritierende Dissonanzen ... Projektionen? Wahrscheinlich auch.
Aber selbst wenn die Beiträge der KünstlerInnen am Ende mit
solchen primär sinnlichen Kategorien in Übereinstimmung zu bringen
wären, würde diese Ankündigung nicht mehr als eine rhetorische
Annäherung oder bloß Poesie sein. Wenn im Vorfeld eines im
Entstehen begriffenen Programmes, dessen Beiträge ebenfalls erst
entstehen, eine solche Frage gestellt wird, kann die Antwort nur theoretischer
Natur sein. [Theorie meint in diesem Fall einfach ein Erklärungsmodell
dafür, warum etwas auf eine besondere Weise und nicht nach dem Augenschein
interpretiert werden soll.]
Medienkunst?
Auch nach sieben Jahren Liquid Music (und nach mehr als einem halben Jahrhundert
medienkünstlerischer Praxis) sorgt Medienkunst nicht nur in
Judenburg noch für Irritation. Und das ist gut so!
Warum erscheint Medienkunst so anders als man es von Kunst gewohnt ist?
Kurz: Weil Medienkunst in Form bringt, was die Dinge miteinander verbindet,
während traditionelle Kunst ein Ding formt, das auf eine Verbindung
verweist. Der Unterschied gründet in den verschiedenen Auffassungen
davon, wie die Welt sich mitteilt, dass sie uns etwas angeht als
Realität oder als Wirklichkeit. Während Realität
von res = Sache sich herleitet, referiert Wirklichkeit auf Wirken, ein
Wirkungsgefüge zwischen den Dingen die Domäne der Medienkunst.
(Medium meint ein Dazwischen.)
Als Medienkunst setzt sich Kunst gleichsam zwischen die Dinge und nimmt
als deren Zusammenhang Gestalt an. Sie setzt sich in Beziehung
zum Betrachter, zu den Dingen; sie realisiert nicht, sie prozessiert
Wirklichkeit als ein Wirkungsgefüge. Und Zusammenhänge
entbehren nun einmal des beschränkten Spektrums einer Neigung, sich
dinglich eher in Form eines Bildes, einer Skulptur oder von Musik ...
zu manifestieren. So entgrenzt sich der Modus der traditionellen Form
(in) der Kunst, und anders als der traditionelle Gestalter eines Dinges
agiert der Medienkünstler eher als Mediator.
Dieser aus der Organisation des Verhaltens der Dinge erklärte Unterschied
liegt ansatzweise auch der Musik als Erklärungsmodell für Operationen
mit einem nicht nur klanglich bestimmten Dazwischen zugrunde. Traditionell
beschreibt Musik, die wir als solche fraglos zu erkennen meinen
sei's Pop, sei's Klassik, sei's so genannte Moderne Klassik das
Verhalten von Klang in der Zeit. Deren oberflächlichstes Erkennungsmerkmal
ist das akustische Spektrum mehr oder weniger bekannter Instrumente (Geige,
Gitarre, Flöte, Stimme ...) und die tonale Beziehung, in der sie
zueinander stehen.
Medienmusik
Medienmusik nimmt sich hingegen der im besten Sinne fragwürdigen
Aspekte an: Bereichen, aus denen die Klänge ihr mitunter eigenwilliges
Verhalten beziehen, und Verhältnissen, in denen sie zu einer
Quelle, deren Bedeutung und Verhalten stehen, wenn diese nicht durch das
Spiel gängiger Instrumenten bestimmt ist. Die Natur dieser Quellen
ist vielfältig und nicht durch Konventionen über Musik diszipliniert.
Mit musikalischen Normen, wie sie immer wieder auch zum Tragen kommen,
verbindet sich kein größeres Privileg als es etwa dem Verkehrsgeschehen,
Satellitenbahnen oder Mechanismen der Übertragung von Daten oder
Informationen eignen würde. Ihrer Natur gehören jedoch immer
auch Maschinen und Programme an, die Klang gemäß einer Verbindung
mit dem Gegenstand eines willkürlichen Interesses an etwas, das ist,
erzeugen sei's die Maschine selbst, sei's ein Bild, sei's eine
Situation, eine Frequenz ... Daher ist Medienmusik im Grunde stets weniger
artifiziell als disziplinierte Musik, die ihre eigenen Spielregeln und
Regelübertretungen verfolgt. Medienmusik erscheint fremder lediglich
in der Erfahrung, die das Artifizielle im Ungewohnten ortet.
Was ist zu erwarten? (II)
Rhythmische Pattern, schräge, irrlichternde Sounds, rauschende Klangflächen,
leise, punktuelle Töne, raumgreifende akustische Gesten ..., die
aus Zusammenhängen zwischen Maschinen, Programmen, Situationen und
KünstlerInnen in Judenburg entstehen und Judenburg ins Spiel
bringen. (Actual Music, wenn man so will ...) Beispiele für akustische
Relationen von: Günter Grayer, Werner Jauk, Emanuel Jauk, Daniel
Lercher, Michael Pinter, Dieter Preisl, Andrea Sodomka, Eva Ursprung,
Fränk Zimmer, der neben seinem konzertanten auch den heuer einzigen
installativen Beitrag liefert, und den TeilnehmerInnen an einem Sound-Workshop.
Pop
Das Interesse betrifft weiters medienmusikalische Formen, die in die Pop-Musik
Eingang gefunden haben. Das Programm ist daher so aufgebaut, dass im Anschluss
an täglich drei exemplarische Medienmusik-Performances von jeweils
30 Minuten Dauer ein Konzert mit offenem Ende folgt:
Donnerstag: Code Inconnu
Freitag: Rupert Huber/Tosca
Samstag: Zeebee.
Workshop
Nach dem Game-Programmier-Workshop im Vorjahr bieten wir heuer einen viertägigen,
wiederum kostenlosen Workshop für maximal acht TeilnehmerInnen an.
Diesmal geht es um die Grundlagen der Arbeit mit Klang mittels aktueller
Musiksoftware. Leitung: Fränk Zimmer. Der Workshop hat auch einen
Beitrag zum Hauptprogramm zum Ziel.
Theorie
Weil, wie gesagt, Theorie die ästhetische Erfahrung fördert,
machen wir auch wieder (unverdrossen ;-) ein entsprechendes Angebot durch
Vorträge von Andrea Sodomka, Werner Jauk und Horst Hörtner -
und die Einladung, mit ihnen und den übrigen KünstlerInnen zu
sprechen.
Heimo Ranzenbacher
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