18. _ 22. JULI 2003
LIQUID MUSIC VON GRAZ 2003 KULTURHAUPTSTADT EUROPAS EINGELADEN, DIE STADT
JUDENBURG IM PROGRAMM STADT_LAND_KUNST DES KULTURHAUPTSTADTJAHRES 2003 ZU VERTRETEN.
AUF DIESE EINLADUNG HIN WURDE DAS PROJEKT CO.IN.CIDE KONZIPIERT. DIE PROJEKTSPEZIFISCHEN
ÜBERLEGUNGEN IM HINBLICK AUF DIE BEDEUTUNG VON GRAZ ALS EUROPÄISCHE
KULTURHAUPTSTADT UND JUDENBURG, DAS SICH KÜNSTLERISCH IN BEZIEHUNG ZU GRAZ
SETZT, HABEN AUCH DAS THEMA VON LIQUID MUSIC 2003, DER 3.ORT, BESTIMMT. DIE
IDEE DES 3.ORTES BESAGT, DASS DIE BEZIEHUNG, IN DIE SICH ORTE ZUEINANDER SETZEN
(BZW. IN DIE SIE GESETZT WERDEN), FÜR DIESE ORTE AUCH UNABHÄNGIG VON
DEN EIGENTLICHEN BEZUGNAHMEN VERBINDLICHE BEDINGUNGEN FÜR DIE JEWEILIGEN
HANDLUNGEN "VOR ORT" ERZEUGT.
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ÜBERLEGUNGEN
Obwohl von Globalisierungseffekten nahezu täglich eines Besseren belehrt,
wird [z.B.] gemeinhin an der Gewohnheit festgehalten, Wohnorte als Lebensmittelpunkt
zu begreifen. Dabei sitzen wir vermutlich der Illusion eines Nahbildes auf, der
Nähe zur bloßen Topographie (topographischen Illusionen). Aus diesem
Naheverhältnis werden "vor Ort" politisch-gestaltende Handlungen
abgeleitet. (Je höher die vermeintliche Souveränität eines Ortes, desto ausgeprägter
die Neigung, aus der Illussion des Konkreten das Mandat und die Modi der Behandlung
des Ortes abzuleiten.)
Orte neigen jedoch dazu, sich gegen den traditionellen Anspruch an sie zu verhalten.
Pendler sind z.B. nur eine Folge dieser Tendenz. Tritt man drei Schritte zurück
und stellt sich die Wege der Pendler als Ausformung eines Ortsbildes vor, ändert
sich auch die Vorstellung von einem Lebensmittelpunkt. Es tauchen zuvor unbeachtete
Aspekte auf, Verhältnisse, Beziehungen zu anderen Punkten. Das Bild des Ortes
"strahlt" aus ...
Wenn sich [z.B.] ein Ort durch Pendler zu einem anderen Ort in Beziehung setzt,
dann erzeugt dieser Umstand u.a. durch Kommunalabgaben respektive -einnahmen,
Verkehrsaufkommen etc. den diesbezüglich 3. dieser beiden Orte. Er tritt
"vor Ort" durch bestimmte, von der Tagespolitik bis in die Topografie
hinein wirkende Handlungsmodalitäten zu Tage. (Wenn [z.B.] das Problem zunehmenden
Verkehrs durch einen Kreisverkehr oder eine Umfahrung gelöst wird, die wiederum
Auswirkungen auf Wirtschaftsbetriebe haben kann, die von der Frequenz der alten
Straße abhängig ist, etc. etc.) Würde sich [z.B.] in Sachen Ortsbild
das Handeln für einen Ort an seinem Bild orientieren, das sich augenfällig
erschließt, hätte es nur das Scheinbare zur Grundlage. Ein Ort ist
immer auch, was sich dem Blick verschließt Theorie.
Der 3.Ort ist gewissermaßen die hinter seinen konkreten Manifestationen
wirkende Kraft, eine aus Realität[en] gespeiste Virtualität, die auf
die Realität zurück wirkt, sich realisiert ... Der Ort entpuppt sich
als theoretisches (topologisches) Objekt. Die Kunst operiert gewissermaßen
traditionell aus dem Zustand heraus, in den die Theoretisierung der Dinge sukzessive
führt.
Der Modus, wie die Bilder, die unsere Vorstellungen von den Dingen prägen,
zu Stande kommen, sagt in der Regel weit mehr über deren Inhalte aus als
die Bilder selbst. Die Kunst ist da direkt angesprochen. Nicht als Bild-Produzentin,
die sie im Grunde nie war, sondern in ihrer Tradition, durch das, was sie zeigt,
die Aufmerksamkeit auf das Nicht-Sichtbare zu lenken, aus dem das Sichtbare dann
seinen Sinn bezieht. Deshalb ist die viel beschworene Schule des Sehens der Kunst
auch eine Schule des politischen Handelns. Nicht im Sichtbaren, sondern im Erkennen
der Kräfte, die sichtbar werden, begründet sich ihre Ästhetik.
Orte sind Kommunen, Menschen, Ideen, Projekte ...
Heimo RANZENBACHER
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