E.A.R. __     DAS JUDENBURG-PROJEKT

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Obwohl Alltagsakustik eigentlich nicht als interaktives Medium wahrgenommen wird, trägt jeder Mensch mit allem, was er tut, [und viele Handlungen erfolgen als Reaktion auf Signale anderer Menschen] zu einer imposanten "Symphonie des Alltags" bei. Beim Schreiben dieses Textes erzeuge ich durch das Tippen auf dem Keyboard meines Computers Geräusche, ich höre Musik aus dem Radio, die Tür zum Raum, in dem ich mich befinde, steht offen und von draußen dringen Geräusche vorbeifahrender Fahrzeuge herein, aus der Nachbarschaft sind Stimmen, Schritte etc. zu vernehmen; ich schließe die Tür. Niemals wird nichts gehört. Ist es um einen still, hört man/frau sich selbst, den Puls, den Atem ...

An der akustischen Kulisse, die uns permanent umgibt, haben wir aktiv wie passiv Anteil, d.h. wir sind Aufführende und Zuhörende zugleich.

Die Summe der Alltagsakustik als eine "Symphonie des Alltags" zu sehen bzw. zu hören, ist das Ziel der Arbeit[en], die ich seit 1988 verfolge. Die Welt akustisch wahrzunehmen hat den Reiz der Imagination. Akustische Räume bilden mittels meiner Vorstellungskraft eine virtuelle und einzigartige Kulisse, die ich ständig mit dem Mischpult meines Willens steuern kann; akustische Erscheinungen vermögen einen Raum zu imaginieren, der real existiert, aber auch einen Raum, der real nicht existiert.

Wie bei allen Arbeiten von E.A.R. verwenden wir auch beim JUDENBURG-PROJEKT ausschließlich Sounds, die wir vor Ort aufnehmen und zu einem Stück verarbeiten.

Die von verschiedenen Schau- bzw. Hörplätzen gewonnenen Aufnahmen, die ein akustisches 24-Stunden-Portrait von Judenburg bieten, wurden gleichsam zu einer neuen akustischen Wirklichkeit der Stadt verdichtet. Die Bearbeitung der Samples erfolgte durch Eingriffe in die Zeitstrucktur — primär in Form von Loops, die sich in ihrer Struktur minimal verändern und dadurch immer wieder neue Aspekte des Klanges hörbar machen. Indem sich diese Sounds immer wieder quasi aus anderen Perspektiven präsentieren, ergibt sich eine an Facetten reiche Ansicht.

Die Struktur der Gesamtkomposition ergibt sich daraus, dass Klänge, die zu einer bestimmten Tageszeit entstanden, auch in der Komposition in der entsprechenden Zeitposition erscheinen. Das JUDENBURG-PROJEKT spiegelt mithin das akustische Gesamtbild eines Tages wider.

Wolfgang TEMMEL

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